Einführungsrede zur Ausstellung "Timo Hobe", Galerie Andalusien Art, 30.04.05
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich, Ihnen heuten die Arbeiten von Timo Hobe vorstellen zu dürfen. Mit ihm begegnen wir einem ungewöhnlichen Künstler. Schauen wir uns in der Ausstellung um, so scheint es, als stellten hier verschiedene Maler aus. Doch alle Werke, die Sie hier sehen, stammen aus einer Hand, einer Hand, die unermüdlich schafft und immer wieder Neues entwickelt. Spricht man mit dem Künstler, so sprudeln die Ideen und Pläne nur so aus ihm heraus und man mag glauben: „Allein die Kunst ist unerschöpflich“ dieses Zitat von Johann Joachim Winkelmann, einem Kunsthistoriker des 18. Jahrhunderts, passt nicht nur auf die Kunst an sich, sondern auch auf diesen Künstler (...)
Dass jedoch die Kunst unerschöpflich ist, beweist ein nur kurzer Blick auf die Entwicklungen, Umbrüche und Revolutionen in der Kunstgeschichte. Wann jedoch diese Kunstgeschichte begann lässt sich heute kaum mehr genau nachvollziehen. Erste künstlerische Schöpfungsprozesse der Menschen, die Höhlenmalerei, stammen aus der Zeit um 15000 vor Christi. Und als Papst Gregor der Große im 6. Jahrhundert erklärte, dass Bilder angemessene Mittel seien, um Episoden und Lehren aus der Heiligen Schrift wiederzugeben, war dies ein grundlegender Schritt für die weitere Entwicklung der europäischen Bildkunst. Man erweiterte die Malerei später auch auf andere Bereiche und entwickelte sie weiter: mythologische Themen und höfische Szenen fanden ihren Ausdruck. Im Barock, im 17. Jahrhundert rückten Alltagsszenen in den Mittelpunkt, gleichzeitig entwickelte sich die Landschaftsmalerei mehr und mehr. Nach der Romantik und dem Naturalismus kam es mit dem Impressionismus zu einer großen Revolution in der Kunstgeschichte, der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts weitere folgten. Mit Bewegungen wie dem Fauvismus, dem Kubismus, dem Expressionismus und dem Surrealismus befreite sich die Kunst aus ihren traditionellen Fesseln und machte alles möglich. Alltagsgegenstände wie ein Toilettenbecken wurden zum Kunstgegenstand erhoben. Und bis heute wurden die künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten durch Videoinstallationen, Objektkunst, Computer und Performances erweitert.
Man kann wirklich sagen, dass sich ein Teil der jüngeren Kunstgeschichte in dem Werk von Tim Hobe wieder findet. In der Malerei bewegt er sich vom Gegenständlichen, Figurativen zu Ansätzen des Kubismus über den Expressionismus zur Abstraktion. Dabei scheinen Handschrift, Farbe und Komposition so unterschiedlich, dass man sie niemals einem Maler allein zuordnen würde. Doch eines bleibt in jeder Arbeit gleich und gleichwertig, es ist das handwerkliche Vermögen des Künstlers, das in jeder Arbeit aufs Neue überzeugt.
Einen unkonventionellen Weg ist Timo Hobe gegangen: Schon immer war der in Jena geborene Künstler neben seinem Beruf des Öl- und Gasfeuerungsmonteurs künstlerisch tätig und gestaltete aus Alltagsmaterialien Skulpturen und Objekte. Nach einem Sportunfall 1999 konnte er seinen Beruf nicht mehr ausüben und entschied kurzerhand als freier Künstler zu leben. Er gründete eine Ich-AG, gestaltet Räume mit Farben Mosaiken und Installationen und Skulpturen. Gleichzeitig, schuf er, wie Sie hier sehen, ein vielfältiges malerisches Werk. Diese Bilder, die er jenseits von Aufträgen frei malt, entstehen in den Stunden der Muße und dienen der Entspannung des umtriebigen Künstlers. Er verarbeitet sein Leben im Bild, sagt er selbst. Wenn er sich vor die Leinwand setzt, beginnt er seine Gefühle umzusetzen, dabei tauchen Momente und Eindrücke aus der Vergangenheit auf, ebenso wie gegenwärtige Erlebnisse, Träume und Wünsche für die Zukunft. Bleibende Eindrücke hat Timo Hobe auch während seiner Reisen durch Ägypten und Andalusien gewonnen. Wenn er malt, will er locker und frei ohne Bestimmung arbeiten, mit Farben, Formen und Inhalten spielen, die aus dem Inneren an die Bildoberfläche drängen. Diese verschiedenen Gefühle, so der Maler, lassen sich nicht in einem Stil, nicht in einer Bildsprache ausdrücken. Das ist der Grund, warum er so vielfältig arbeitet.
Hinter jedem einzelnen Bild steckt also eine ganz besondere, individuelle Geschichte. Doch diese Geschichte erschließt sich dem Betrachter nicht, wenn es nicht zu einem direkten Austausch mit dem Künstler kommt. Vielmehr entsteht eher ein indirekter Dialog zwischen Künstler und Betrachter in dem Moment, in dem dieser vor das Kunstwerk tritt. Mit diesem Dialog wird der Schöpfungsprozess erst vollendet. Aber wird der Betrachter das Kunstwerk dann verstehen, wird er das darin lesen, was der Künstler in seinem Inneren empfunden hat? Zu diesem Problem hat der Künstler Alexej Jawlensky einmal gesagt: Jeder findet in einem Kunstwerk immer nur das, wozu sich seine Seele vorbereitet hat. Darin liegt die Kraft und die Unerschöpflichkeit des Kunstwerkes. Es ist auch nicht nötig, dass das Empfinden des Beschauers und der schöpferische Trieb des Künstlers sich decken, eben weil der Künstler aus der Intuition schafft und deswegen mehr sagt, als er zu sagen dachte. Darin liegt gerade das Mysterium des Schaffens. So treffen also Betrachter und Künstler in dem Kunstwerk in gewisser Weise zusammen, wobei jeder von ihnen seine eigene individuelle Verbindung zu dem Kunstwerk aufnimmt. Demnach bestehen Kunstwerk und Künstler nicht darauf, eine direkte Botschaft zu vermitteln. Nach dem Ansatz von Jawlensky, bietet der Künstler dem Betrachter Raum, sich mit seiner eigenen Seele und seiner Intuition einzubringen, es nach seinen Erfahrungen zu lesen und eigene Assoziationen zu entwickeln.
In diesen Gedanken findet sich auch die Ansicht Timo Hobes wieder, denn es ist nicht sein Anliegen, mit seinen Bildern seine Gedanken zu vermitteln. Darum wollen wir bei der Betrachtung der Bilder unsere eigenen Assoziationen entwickeln. Dazu möchte ich jetzt mit Ihnen gemeinsam einige Bilder anschauen.
Werfen wir zunächst unseren Blick auf die Landschaftsbilder:
"Süden" nennt der Künstler das großformatige Bild, mit dem er uns das Landschaftspanorama einer, so scheint es, toskanischen Landschaft zeigt. Er bedient sich dabei einer einfachen und eingängigen Formensprache, die fast ein wenig an eine Spielzeugwelt erinnert. Bei der Betrachtung des Bildes kommt es jedoch zu Irritationen. Während sich die Landschaft im Vordergrund als einheitlich erweist, wird sie weiter oben durchbrochen. Als Betrachter kennen wir auf einmal unseren Standpunkt nicht mehr, teilt der Künstler das Bild auf, handelt es sich nur um die Fassade einer Landschaft, oder vermittelt der Künstler uns den Blick durch ein Fenster?
In nächsten Bild erleben wir einen sonnigen Tag mit einem strahlenden Licht. Heiterkeit und Lebensfreude spricht aus diesem Bild. Der Maler vermittelt uns seine Begeisterung für die Schönheit der Natur und vor allem für das leuchtende Rot des blühenden Mohns. Mit diesem Bild offenbart sich der Expressionist Timo Hobe. Ein wichtiges Element des Expressionismus ist die Loslösung von der authentischen Form und Farbe. Der Maler taucht hier seinen Landschaftseindruck nicht mehr in die Farben, die er vor sich sieht, sondern in jene, die er in sich spürt.
Einen Schritt weiter geht der Künstler mit dem dreiteiligen Landschaftsbild mit dem Titel "Island in the sun". Während im vorherigen Bild die Landschaft noch klar ausformuliert und zu erkennen war, reduziert der Maler hier immer mehr Farbe und Form. Er beschränkt sich allein auf Gelb- und Orangetöne, abstrahiert und reduziert die Form so weit, dass sich die "Insel in der Sonne" immer noch erkennen lässt. Durch den leicht pastosen Farbauftrag hebt sich die Insel besonders aus dem Bild hervor. Timo Hobe spielt hier mit der Perspektive, indem er die Insel wie mit einem Zoom einmal näher an unser Auge heranrückt und dann wieder in weiter Ferne erscheinen lässt.
Zu einer völligen Abstraktion kommt es in dem Bild, mit dem Titel "Urknall" Hier bricht explosionsartig die Erde auf. Funken Sprühen, Gesteinsteile fliegen durch die Luft, die Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde lassen sich in diesem Bild ahnen. Ein Schöpfungsprozess beginnt voller Energie, ähnlich dem energiereichen Schöpfungsprozess des Künstlers.
Was die Technik, in diesem und auch in weiteren Bildern betrifft, so arbeitet Timo Hobe immer in einer Mischtechnik. Häufig arbeitet er Sand oder andere Materialien ins eine Bilder ein und schafft so Strukturen, die eine gewisse Lebendigkeit suggerieren.
Als eine weitere Werkgruppe ist neben den Landschaften ist eine Reihe von mystischen Bildern zu nennen.
Mit diesen drei Bildern "Warten", "Mondsüchtig" und "Die Neugierigen" schafft der Künstler geheimnisvolle Situationen. Dunkle Stimmungen, mit ebenso dunklen Gestalten, die hier - im ersten Bild - vor einem Tor, einer Öffnung stehen. Auf der anderen Seite des Tores scheint es hell zu sein. Vielleicht warten diese Menschen auf eine hellere, positivere Seite ihres Lebens. Auch die Mondsüchtigen geben sich uns nicht zu erkennen, sie wenden uns den Rücken zu und blicken in das Licht des Vollmondes, der über einem See leuchtet. Ebenso wie im dritten Bild dieser Reihe arbeitet der Künstler abstrahierend, so dass die Situation für den Betrachter deutlich bleibt. Durch das Übereinanderlegen verschiedener Farbschichten schafft er eine besondere Tiefe und Eindringlichkeit, die die mystische Stimmung bewirkt.
Betrachten wir zum Schluss noch einmal die beiden Darstellungen der Stiere, die sich wieder sowohl in der Stimmung als auch in der Malweise unterscheiden.
Zunächst der Stierkampf: Direkt bringt der Künstler den Stier in das Bild, Er scheint gerade auf uns zuzukommen und uns auf seine Hörner nehmen zu wollen, wie er es bereits mit dem Stierkämpfer getan hat. Hier war das Tier und nicht der Mensch Sieger. Der Stierkämpfer fiel zu Boden und liegt vor den Füßen des Stiers. Technisch bewegt sich der Künstler hier zwischen Expressionismus und Kubismus. Das bedeutet, dass er die Figuren durch die schwarzen Konturen in einzelne Elemente aufgeteilt hat und das, was er in drei Dimensionen wahrgenommen hat, auf einer Fläche darstellt. Eine ähnliche Arbeitsweise findet man auch in den gegenüber liegenden Bildern.
Der Stier daneben, erscheint wieder in einer völlig anderen Bildsprache. Der Künstler stellt hier eine einheitliche Farbstimmung her, sanfte Töne und zarte Konturen lassen hier an archaische Wandmalereien denken.
Sie sehen meine Damen und Herren, die Kunst des Timo Hobe ist unerschöpflich. Vielleicht finden Sie jetzt in den Bildern, wie Jawlensky es gesagt hat, das worauf sich Ihre Seele vorbereitet hat.
Dabei wünsche ich Ihnen ganz viel Freude und der Ausstellung viel Erfolg.
Donata Holz, Kulturwissenschaftlerin
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